Petra Budkes Rede zu den Maßnahmen gegen Corona in der heutigen Landtags-Debatte in Auszügen:
„Das habe ich in meinem Leben noch nie erlebt: Frühlingsduft liegt in der Luft, die Sonne strahlt, die Kirschbäume blühen – aber: die Spielplätze sind abgesperrt, kein Lachen ist zu hören, Cafes und Biergärten sind verwaist. Nirgendwo ein verliebtes junges Paar, das sich umarmt oder küsst und Freude am Leben ausstrahlt. Das ist kein Albtraum, sondern das ist im April die Realität hier in Brandenburg wie in vielen anderen Städten weltweit.
Mit dem Ausbruch des Corona-Virus hat uns eine Krise erfasst, die ich mir vorher nicht vorstellen konnte. Viele Menschen haben Angst: Um ihre Gesundheit und die ihrer Liebsten. Sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft: Was wir mit meinem Arbeitsplatz, mit meinem Geschäft? Wie soll ich meine Miete bezahlen? Werden die wirtschaftlichen Hilfen wirklich greifen?
Es ist ein gleichzeitig ein tolles Signal, dass die Gesellschaft zusammensteht und zum Beispiel auf Balkonen mit Musik und Applaus ihren Dank an die „Heldinnen und Helden diese Krise“, zum Ausdruck bringt: an die Krankenpfleger*innen und Arzt*innen, die Kassierer*innen im Supermarkt, die Leute bei der Feuerwehr.
Als Gesellschaft werden wir uns spätestens nach Corona fragen müssen, ob nicht manches in einem Missverhältnis steht. Beispielsweise die Bedeutung und Bezahlung von Pflegekräften.
Für die Wirtschaft und ihre Beschäftigten haben Bund als das Land Brandenburg viel in Gang gesetzt. Das Volumen des Rettungsschirms wollen wir heute von ursprünglich 500 Millionen auf zwei Milliarden Euro aufstocken. Viele Arbeitgeber gehen mit gutem Beispiel voran und nutzen die Möglichkeit der Kurzarbeit. Es gibt aber auch welche, die mit fristlosen Kündigen agieren oder Arbeitnehmer*innen unter Druck setzen.
Und es ist schockierend, wie schamlos manche Konzerne Hilfen ausnutzen und zum Beispiel keine Miete mehr zahlen wollen, obwohl sie durchaus liquide sind. Unterstützung ist auch bitter nötig für die Selbständigen und Soloselbstständigen, deren Restaurants und Geschäfte nun geschlossen bleiben müssen, für viele Freiberufler*innen, denen die Aufträge wegbrechen, für viele Kulturschaffende, die nicht auftreten können.
Seit einer Woche können sie bei der ILB Anträge auf Förderung einreichen und die ersten Hilfen sind schon ausgezahlt. Bereits am ersten Tag gingen 10.000 Anträge auf Förderung bei der ILB ein, inzwischen sind es fast 50.000.
„Krisen sind die Stunde der Regierung, nicht des Parlaments“, hören wir immer wieder. Und wir sind natürlich sehr froh, dass unsere Landesregierung so einen guten Job macht, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke, Innenminister Michael Stübgen und unsere bündnisgrüne Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher uns so besonnen durch diese Krise führen!
Aber diese Krise muss auch die Stunde des Parlaments sein. Denn gerade wenn Entscheidungen schnell und effizient in Krisenstäben fallen müssen, ist die öffentliche demokratische Debatte und Kontrolle durch das Parlament wichtiger denn je. Wir entscheiden deshalb heute auch über die Regeln für einen krisenfesten Landtag. Wir müssen darüber wachen, dass jede Einschränkung gesellschaftlicher Freiheiten aufgrund der Krise verhältnismäßig und nur so kurz wie möglich ist.
Wir beachten mit großer Sorge, wie europäische Staaten die Krise ausnutzen, um autoritäre Strukturen zu etablieren. Die Freizügigkeit wird eingeschränkt, Länder schließen ihre Grenzen. Das verursacht besonders mit unserem Nachbarland Polen viele Probleme. Nach den LKW trifft es die Berufspendler*innen – darunter medizinisches Pflegepersonal, Ärzt*innen oder Erntehelfer*innen. Solidarisch zusammenzustehen ist gerade in der Krise das Gebot der Stunde.
Besonders ärmere Länder im globalen Süden können sich nicht so gut gegen diese Krise wappnen. In Moria auf Lesbos ist die Situation schon ohne Corona äußert dramatisch. Hier leben über 20.000 Menschen unter schwierigsten Bedingungen und sind deshalb für das Virus besonders anfällig. Die Aufnahme von unbegleiteten Kindern aus den völlig überfüllten griechischen Camps muss jetzt unbedingt passieren. Sonst droht eine humanitäre Katastrophe!
Die Entscheidung, in Kitas, Kindertagespflegen und Schulen nur noch eine Notbetreuung anzubieten, war wegen der hohen Infektionsgefahr alternativlos. Doch viele Eltern, besonders Alleinerziehende, stellt das vor große Probleme. Deshalb ist es wichtig, dass es jetzt Lohnersatzleistungen gibt, wenn Eltern unbezahlt Urlaub nehmen müssen. Auch bei den freien Kitaträgern, die über die bisherigen Hilfspakete nicht erreicht werden, müssen wir unbedingt nachsteuern!
Kinder brauchen Bildung, Erziehung und Betreuung und junge Menschen brauchen auch ihre Freiheit. Deshalb leiden sie unter den Einschränkungen des sozialen Lebens ganz besonders. Sorgen mache ich mir auch um die häusliche Situation vieler Kinder und Jugendlicher. Es besteht die Gefahr, dass die häusliche Enge zu einem Anstieg von familiären Problemen bis hin zu Gewalt und Missbrauch führt. Deshalb ist es wichtig, dass die Jugendhilfe besonders schutzbedürftige Kinder im Blick behält und sie in die Notbetreuung aufgenommen werden.
Wir können heute niemanden die Ängste nehmen – vor diesem Virus nicht und vor dem, was es mit uns und unserer Gesellschaft macht. Wir können aber dafür arbeiten, dass dieses Parlament, dieser Staat, diese Gesellschaft alles tun, um die Gesundheit unserer Mitmenschen zu schützen. Und auch, die wirtschaftlichen Folgen zu begrenzen. Wir sind diesem Virus nicht hilflos ausgeliefert. Wir können durch unser Handeln seine Ausbreitung verlangsamen, wir können unser Gesundheitssystem ertüchtigen und Menschenleben retten. Und wir können unsere Mitmenschen unterstützen, wenn sie Hilfe brauchen. Das tun wir hier gerade mit den jetzt anstehenden Beschlüssen, und das tun die Brandenburgerinnen und Brandenburger im ganzen Land.“