mit dieser Großen Anfrage hat die Linke den Perspektivwechsel von Gesellschaft und Politik gegenüber Sinti*zze und Rom*nja nun auch in Brandenburg in den Focus gerückt hat. Das ist dringend notwendig!
Und es ist gut, dass wir heute mit der Verfassungsänderung und der gemeinsamen Entschließung aller demokratischen Fraktionen vereinbaren, Antiziganismus konsequent entgegenzutreten.
Denn es ist schon bemerkenswert, wie lange wir in Deutschland und auch in Europa gebraucht haben, das Phänomen des Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja endlich systematisch in den Blick zu nehmen. Und zwar nicht nur bezogen auf die Aufarbeitung des entsetzlichen Völkermords, dem Porajmos an 500 000 Sinti*zze und Rom*nja durch die Nazis und eines eigenständigen, würdigen Gedenkens hierzu.
Sondern auch bezogen auf strukturelle und individuelle Diskriminierung in beiden deutschen Staaten. Die hält bis heute an, im Alltag, durch Behörden oder im Bildungswesen.
Die Teilhabechancen von Sinti*zze und Rom*nja sind dadurch in allen gesellschaftlichen Bereichen immer noch stark beeinträchtigt.
Wer sich davon ein Bild machen will, braucht sich nur einmal mit der Vorsitzenden des Landesverbandes deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, Petra Rosenberg zu unterhalten, und Ihren Redebeiträgen entnehme ich, dass das viele von Ihnen getan haben. Ihre Famliengeschichte zeigt, wie die traumatischen Erfahrungen der nationalsozialistischen Verfolgung sich über die Generationen fortsetzen und wie groß die Barrieren in Bildung und Beruf sind.
Lange schien dieses Thema Tabu. Die grüne Bundestagsfraktion griff 2014 die langjährige Forderung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma auf, eine Kommission zum Antiziganismus zu bilden. Es dauerte dann fünf weitere Jahre, bis der Bundestag diese Kommission berief. Deren 850 Seiten starker Abschlussbericht liegt nun vor und enthält eine Fülle von Forderungen und Empfehlungen.
Als ein Zeichen des Wandels hat die Ampelkoalition im Bund mit Dr. Mehmet Daimagüler den ersten Antiziganismusbeauftragten benannt. Damit wurde eine zentrale Forderung sowohl dieser Kommission als auch der Organisationen der Sinti*zze und Rom*nja erfüllt.
Zur Erfüllung des heute in die Landesverfassung aufgenommenen Staatsziels, Antiziganismus entgegenzutreten, sind die Kommissionsempfehlungen ein guter Leitfaden.
So bitten wir die Landesregierung, eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner für die Belange der Sinti*zze und Rom*nja zu benennen.
In der Entschließung verabreden wir uns zu einem ganzen Bündel von Maßnahmen. Sie wurden alle im Austausch mit dem Landesverband der Sinti und Roma entwickelt. Sie reichen über Fortbildungen in allen Bereichen der Landes- und Kommunalverwaltungen und der Justiz, Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Antiziganismus durch Prävention und Antidiskriminierungsarbeit. Vermittlung von Kenntnissen über Sinti*zze und Rom*nja in Schulen und in der politischen Bildung, Erforschung und Bewahrung der Geschichte der Brandenburger Sinti*zze und Rom*nja und Sichtbarmachung ihrer Kultur in der Öffentlichkeit.
Wir knüpfen mit diesen Schritten an die bestehende Vereinbarung über die Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen dem Land Brandenburg und dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg an. Ein Ziel dieser Vereinbarung ist, und das möchte hier ausdrücklich betonen, dass Sinti*zze und Rom*nja angstfrei ihre Identität offenbaren und frei zum Ausdruck bringen können, wenn sie es wünschen.
Wir sollten dabei den Blick auf die gesamte Region Berlin-Brandenburg weiten. Wir sollten uns bewusst sein, dass in Berlin viele Sinti*zze und Rom*nja leben, die aus Angst vor Ressentiments einen Ausflug ins Umland oder einen Umzug nach Brandenburg meiden könnten.
Brandenburg hat einen ressortübergreifenden Auftrag, einen echten Perspektivwechsel gegenüber Sinti*zze und Rom*nja zu vollziehen. Mit der heutigen Verfassungsänderung und der vorliegenden Entschließung gegen Antiziganismus kommen wir da einen großen Schritt voran.